Angst, Wut, Leid, Trauer… all das und mehr wollen wir nicht spüren. Wir schieben sie weg, unterdrücken sie und lenken uns ab. Das ist unsere Art, damit „umzugehen“. Was wir dabei nicht beachten: Wir können nur heilen, was wir uns auch zu empfinden trauen. Wir müssen fühlen. Das ist der Weg, wirklich frei zu werden und notwendige Veränderungen in unserem Leben vorzunehmen. Tonglen kann dich dabei begleiten.
Nichtfühlen kann krank machen
Die allerwenigsten von uns sind in einem Umfeld und mit erwachsenen Vorbildern großgeworden, die bewusst mit ihren Emotionen umgehen. Mit den Positiven, als auch mit den vermeintlich Negativen. Hatten wir Eltern und Bezugspersonen, die all das vielmehr runterschluckten, verdrängten oder überspielten, wuchsen wir auf in der unbewussten Überzeugung, dass dies der „richtige“ Weg sei. Schließlich ist dies der Weg, den wir kennen. Diese Haltung Zeit unseres Lebens zu bewahren kann krank machen, sowohl psychisch als auch physisch.
Hören wir nicht auf unsere innere Stimme, auf das, was sich in uns tut, wird unsere Seele sich Wege suchen, uns zu verdeutlichen, wie dringend unser Hinsehen ist. Damit wir heilen können. Oftmals äußert sich das in:
- Schlaflosigkeit
- Herzklopfen
- körperlichen Schmerzen
- chronischen Krankheiten
- Appetitlosigkeit
- Zittern
- beschleunigte, flache Atmung
- Panikattacken
- angsterfüllte Gedanken
Die Ventile, die unsere ungesehenen und weggeschobenen Emotionen sich suchen können, um endlich sicht- und spürbar zu werden, sind vielfältig.
Aufbrechen: Wenn die Seele schreit
Ich durfte in den letzten Monaten erfahren, wie intensiv dieses „Anklopfen“ der Seele sein und eintauchen in ein Bewusstsein, das Heilung bringen kann. Sehen wir unsere körperlichen Symptome als die Hinweise, die sie sind und nehmen eine neugierige Haltung ein, können wir beginnen, hinzuspüren. Wir begeben uns auf eine Forscherreise in unser Selbst: unser Unterbewusstes, unseren Geist, unsere Seele.
Dieser kleine Spalt, der da aufgebrochen wird – machmal durch ein einzelnes Erlebnis, das das Fass endgültig zum Überlaufen bringt – gibt einen Blick ins Unterbewusste frei, das gesehen werden will. Das kann richtig, richtig Angst machen. Aber es ist so lohnend für unser Leben, unser Wohlergehen, auch hier mutig zu sein und sich damit auseinanderzusetzen.
Wir müssen endlich beginnen, uns um unsere Psyche genauso zu kümmern, wie wir das mit einem gebrochenen Bein tun würden.
Ich wurde aufgebrochen. Es hatte sich schleichend angebahnt und auf so viele unterschiedliche Weisen den Weg ans Licht gesucht, die mir zuvor gar nicht bewusst gewesen waren. Auch ich bin gut im Wegschieben. „Passt schon“, „Es geht schon“ und „Nicht so schlimm“: Unser Bewusstsein tut jede Menge dafür, das Unbewusste auch als solches zu belassen. Zu groß ist oftmals die Angst vor dem, das da schlummert. Einmal mehr möchte ich dir von Herzen nahelegen, dich professionell begleiten zu lassen, wenn du Angst hast oder dich überfordert fühlst.
Auf meiner Reise als neugierige Forscherin traf ich in dem Buch „The Wisdom of Anxiety“ von Sheryl Paul auf eine Technik, die sich Tonglen nennt. Es ist eine Übung, die durch tibetanische Mönche seit vielen Jahren praktiziert wird und nun langsam auch den Weg in die westliche Welt findet. Tonglen ist also nicht wirklich ein „neuer“ Weg, wohl aber einer, der für dich – so wie er es für mich war – neu sein kann.
Tonglen: Leid aufsaugen, Glück aussenden
Tonglen hatte, sobald ich es einmal praktizierte, eine beinah überwältigende Wirkung auf mich. Ich lies bewusst geschehen, was in mir geschehen wollte. Ich gab mich den aufkommenden Emotionen hin, im Vertrauen daran, dass ich durch sie hindurchgehen kann. Gestärkt. Offener. Auch verletzlicher. Und wissend, dass ich nicht alleine bin, sondern verbunden.
Diese Übung kann viel mit dir machen. Wenn du unsicher bist, lass dich professionell psychologisch begleiten, bevor du dich damit auseinandersetzt.
Tonglen ist eine Atemmeditation, kombiniert mit bewussten Gedanken und einer offenen, verbindenden Haltung. Zwischen Haushalt, Alltagshektik und hungrigen Kindern solltest du mit dieser Methode definitiv nicht beginnen. Nimm dir Zeit für dich, einen ruhigen Moment in dem du weißt, dass du auch ausreichend Ruhe hast, mit dem, was da kommen kann, umzugehen und es „sein“ zu lassen.
- Bring dich in eine angenehme Position, sitze aufrecht, und bring deine Aufmerksamkeit zu deiner Atmung.
- Atme bewusst und ruhig ein und aus.
- Nimm ein paar tiefe Atemzüge.
- Wenn du bereit bist, atme ein. Und während du einatmest, atme all deine Angst, deine Wut, deine Trauer, all das Leid ein. Mach dich voll davon. Lass es jede Zelle deines Körpers erreichen. Atme tief ein.
- Atme nun aus, und während du ausatmest, sende Liebe, Glück, Zufriedenheit, Verbundenheit zu dir selbst und allem, was dich umgibt.
- Lass kommen, was kommen will. Sitze bewusst mit deinen Emotionen. Lass die Tränen kommen. Gib dir Zeit. Lass es sein. Alles sein.
- Wisse, dass du nicht allein bist mit deinen Gedanken, Gefühlen und Emotionen. Du bist nicht allein mit deiner Angst. Ganz vielen Menschen geht es wie dir und auch sie brauchen Liebe, Glück, Verbundenheit.
- Wiederhole Tonglen sooft es sich gut anfühlt für dich.
Wenn es sich für dich stimmig anfühlt, kannst du einen Schritt weitergehen. Stellst du fest, dass dieser neue Weg mit deinen Emotionen und schweren Gedanken umzugehen sehr viel für dich ist und du all deine Liebe, all das Glück und Licht für dich selbst benötigst, praktiziere den zweiten Schritt erst, wenn du dich bereit fühlst.
Ich habe schnell gefühlt, dass ich Tonglen gänzlich „durchziehen“ und mich mit allem verbinden will, das meine Verbundenheit, das Licht und die Liebe brauchen kann. Diese Verbundenheit und das Wissen, dass ich nicht allein bin, hat mir sehr geholfen. Wir sind viele.
Fühlst du dich bereit, gehe mit deinen Gedanken einen Schritt weiter. Verbinde dich mit allem, was dich umgibt: Wenn du willst, sauge mit deiner tiefen Einatmung all das Leid der Welt auf und sende Verbundenheit und Glück an alle Menschen, alle Wesen auf dieser Welt. Wir sind gemeinsam, wir sind alle verbunden. Und wir alle sitzen im selben Boot – auch, wenn kaum jemand sich traut, darüber zu sprechen.
- Atme das Leid ein, in all den Formen, in denen es sich dir zeigt.
- Atme Verbundenheit, Liebe, Glück und Fülle aus. An dich, und an alle, die es brauchen. Sende sie in die Welt hinaus. Erfülle sie mit all dem Glück, das du zu geben hast.
- Lass alles hochkommen, was kommen will. Tauche ein Stück weit ein in diesen See aus Unbewusstem, das da in dir schlummert und endlich gesehen werden will.
Sitze mit deinen Emotionen. Lass sie endlich mal da sein. Fühl sie. Geh hinein in deine Gefühle. Tauch ein in das, was sich zeigen und gefühlt werden will. Gib dir Zeit, nimm dir Zeit. Die Zeit, die du brauchst. Spür ganz bewusst diese Verbundenheit. Du bist nicht allein!
Du wirst spüren, wenn du mit der Meditation „fertig“ bist. Ich kann dir nicht sagen, wie lange es dauert, bis du bereit bist, deine Augen wieder zu öffnen oder auf andere Weise aus Tonglen „rauszukommen“. Gib dir auch die Zeit, nachzufühlen.
Tonglen begleitet dich auf einem Weg, bei einem Prozess. Dieser Prozess ist nicht von heute auf morgen abgeschlossen und deine Ängste verschwinden nicht einfach. Das Bewusstsein, dass du sie nicht loswerden sondern als Hinweis sehen willst und somit als eine Möglichkeit, dich selbst besser kennenzulernen kann dir dabei helfen, deine Gefühle als Begleiter und Wegweiser anzusehen.
Die Gefahr der „Einzigartigkeit“
Der Glaube daran, wir wären etwas Besonderes und Einzigartig, kann sehr einsam machen. Egal, ob wir es Zeit unseres Großwerdens immer wieder hören oder es von Menschen kommt, die sich um uns sorgen, wenn wir schon erwachsen sind und uns damit aufmuntern möchten.
Wir dürfen niemals vergessen, dass es ganz vielen Menschen geht, wie uns. Wir alle haben ähnliche Probleme, auch, wenn sie immer ein wenig anders aussehen oder sich anders präsentieren. Wir alle wollen uns geliebt fühlen, wollen verbunden sein mit anderen Menschen, wollen irgendwo dazugehören. Wir brauchen alle sowohl Autonomie als auch Verbundenheit, um „gesund“ zu sein.
Die Überzeugung oder auch der Glaubenssatz, etwas ganz Besonderes und einzigartig zu sein, kann guttun. Er kann aber auch richtig einsam machen, wenn er etwa zur Folge hat, dass wir uns auf eine „negative“ Weise einzigartig fühlen:
- Niemand schultert so viel, wie ich.
- Niemand hat so viel Leid erlebt, wie ich.
- Niemand hat solche Angst, wie ich.
- Niemand hat so grausame Eltern, wie ich.
- Niemand hat die Probleme, die ich habe.
- Niemand hat erlebt, was ich erlebt habe und deshalb kann mich auch niemand verstehen.
Lass mich dir sagen: Egal, wie dein Leben aussieht, egal, welche Erfahrungen du gemacht hast, du bist nicht alleine! Es gibt jemanden, der Ähnliches erlebt hat. Das sind viel mehr Menschen, als du denkst. Wir alle sind verbunden. Ob uns das gefällt, oder nicht.
„We are all in this together.“
Du bist nicht allein.
Ich hoffe, Tonglen und die damit einhergehende, verbindende Haltung sind für dich genauso befreiend und wohltuend wie für mich. Wenn du dich überwältigt fühlst mit deinen Emotionen und Angst hast, bitte, lass dir helfen. Dir Hilfe und Unterstützung zu suchen und diese auch anzunehmen, zeugt von Mut und Stärke.
Buchempfehlungen:
- The Wisdom of Anxiety – Sheryl Paul
- The subtle Art of not giving a Fuck – Marc Manson
- Mama, nicht schreien – Jeannine Mik & Sandra Teml-Jetter
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