Wir wollen nicht schreien. Aber wir sind nicht perfekt. Wir sind in jedem Moment so gut, wie wir es in der Situation nunmal sein können. Aber manchmal haben wir das Gefühl, dass das nicht reicht. Besonders hart wird es uns vor Augen geführt, wenn wir laut geworden sind. Und ich meine richtig laut. Wenn wir das kleine Kind vor uns – das keinen Ausweg hat, das uns braucht und dessen Welt sich um uns dreht – angeschrien haben. Dann geht es ihm schlecht. Und uns.
Nach dem Schreien: 5 Dinge, die wir jetzt tun können
Vielleicht haben wir nicht nur geschrien, sondern auch gedroht oder irgendwelche an den Haaren herbeigezogenen Konsequenzen von uns gegeben. Kurz: Wir haben die Kontrolle verloren.
Jetzt sind die Worte gesagt und wir fühlen uns schlecht. Passiert manchmal.
Auch, wenn wir die Zeit nicht zurückdrehen können, haben wir jetzt die so wichtige Chance, uns richtig zu verhalten.
1 Atmen
Atmen ist immer eine gute Idee. Wenn wir uns ärgern, verspannt sich der Körper. Es schnürt uns buchstäblich die Kehle zu, die Atmung wird flach.
Ein paar bewusste Atemzüge entspannen, das Hirn bekommt den so sehr benötigten Sauerstoff.
Ein weiterer Vorteil ist, dass während des Atmens ein wenig Zeit vergeht. So haben wir die Möglichkeit, die Situation bereits ein paar Sekunden später besser einschätzen zu können oder sie aus einer anderen Perspektive zu sehen.
2 Auf einen erneuten Auslöser achten
Es ist gut möglich, dass da noch immer sehr viel negative Energie in der Luft liegt. Unsere Inhalte kommen nicht beim Gegenüber an, wenn wir sie schreiend mitteilen. Womöglich hat das Kind seine Gefühle in der Situation noch nicht gelebt und sich somit noch nicht gänzlich mitgeteilt.
Wir sind verantwortlich für unser eigenes Verhalten in der jeweiligen Situation. In dieser Unruhe – bei der wir Eltern ab einem gewissen Level an Frustration nicht mehr viel machen können, außer einfach da zu sein – ist es an uns, nicht erneut unüberlegt zu reagieren.
Ist die Situation noch nicht allzu aufgeschaukelt oder das Kind noch nicht in einer Stimmung, in der unsere Worte es nur noch unglücklicher machen, ist das Spiegeln der Emotionen ein wunderbarer Weg, in Kontakt und in Beziehung zu bleiben.
3 Verantwortung übernehmen
Was es heißt, Verantwortung für das eigene Verhalten zu übernehmen? Das können wir unseren Kindern jetzt zeigen!
So können wir uns ganz einfach für unser Verhalten entschuldigen. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein – ist es aber oftmals nicht. Vor allem, wenn es um die Kommunikation mit Kindern geht.
Eine Entschuldigung klingt vielleicht so: „Es tut mir so leid! Ich war auf einmal so wütend, dass ich meine Wut gar nicht mehr unter Kontrolle hatte. Und dann hab ich auf einmal geschrien. Bitte entschuldige.“
Wichtig ist, im Hinterkopf zu behalten, dass hier Maßregelungen a la „Aber du hast…“ keinen Platz haben. Kein Aber, Schuldumkehr ist nicht.
Es geht nicht darum, was dein Kind deiner Meinung nach getan hat, um dich in Rage zu bringen. Kinder sind grundsätzlich richtig in ihrem Tun. Es ist an uns Erwachsenen, unsere Haltung zu reflektieren und die Beziehung mit unseren kleinen Mitmenschen zu gestalten.
Kinder sind immer richtig in ihrem Tun. Es ist an uns, unsere Haltung zu reflektieren und die Beziehung zu gestalten.Click To Tweet4 Es nochmal versuchen
Irgendeine Aussage oder irgendein Bedürfnis wurden wahrscheinlich gerade übergangen. Hier kann ich sagen: „Ich war so sauer vorhin, dass ich gar nicht gehört habe, was du mir sagen wolltest.“ Oder etwas wie: „Ich versuch’s jetzt nochmal, OK? Ohne zu schreien.“
Wenn wir merken, dass wir die Situation in dem Moment nicht lösen können, ist es natürlich in Ordnung, es einfach dabei zu belassen. Manchmal kann man Dinge nicht in der Sekunde aussprechen.
Wir dürfen eine Pause machen und das Thema – falls überhaupt nötig – später nochmal aufgreifen.
Vielleicht genügt ja auch eine Entschuldigung und es ist dann in Ordnung, wie es ist.
5 Das eigene Verhalten reflektieren
So oft im Leben mit Kindern geht es für uns Eltern darum, unser eigenes Verhalten zu hinterfragen. Das ist auch bei unserer Wut so.
Anstatt zu vergessen, was passiert ist, können wir die Situation in einer ruhigen Minute Revue passieren lassen:
- Was hat mich so verärgert? War es etwas bestimmtes, das mein Kind gesagt hat?
- Warum konnte ich in dem Moment nicht anders reagieren?
- Was kann ich beim nächsten Mal anders machen?
Achtsam antworten: eigene Muster durchbrechen
Wenn wir merken, dass Schreien immer wieder vorkommt, können wir versuchen, angelernte bzw. anerzogene Muster zu durchbrechen. Das ist schwer und erfordert viel Arbeit an uns selbst.
Es gilt, negative Kommunikationsmuster – wenn wir sie erstmal entdeckt haben – nach und nach durch hilfreiche und positive Antworten zu ersetzen.
Gegen den ersten Impuls
Erstmal tief durchzuatmen und kurz innezuhalten, bevor wir unserem Kind antworten, hilft, nicht dem ersten Impuls zu folgen.
Dieses Innehalten zu etablieren ist der vermutlich schwierigste Teil.
Danach zu reagieren wird leichter, weil wir bereits ein paar Sekunden hatten, diverse Automatismen vor dem geistigen Auge ablaufen zu lassen. Nun können wir sagen, was wir wirklich fühlen und sagen möchten. (Mehr hierzu formulierte Naomi Aldort in ihrer Formel S.A.L.V.E., weiter unten im verlinkten Artikel.)
Vielleicht können wir uns auch mal darauf konzentrieren, wirklich zuzuhören, anstatt Anweisungen zu geben.
Verständnis zu zeigen und das Kind spüren zu lassen: „Ich sehe dich!“ – und zwar auch in Situationen, in denen wir nicht einer Meinung sind – schafft Vertrauen und Bindung.
Das Kind fühlt sich verstanden und in seinen Emotionen wahrgenommen.
Fünf konkrete Alternativen zum Schreien habe ich in einem der beliebtesten Artikel auf diesem Blog beschrieben.
Manchmal ist das eigene Päckchen zu groß
Wir alle kommen mit unserem Päckchen aus der eigenen Kindheit in unserer „neuen“ Familie an. Manchmal ist das so voll beladen, dass wir selbst erstmal aufarbeiten müssen, was da schief gelaufen ist.
Hast du das Gefühl, hier alleine nicht weiterzukommen, kann jemand helfen, der sich damit auskennt. Therapeutinnen oder Familienberaterinnen sind hier gute Ansprechpersonen, die diesen Prozess der Selbstreflexion kompetent begleiten können.
Zuzugeben, dass wir Hilfe im Umgang mit unserer Wut benötigen, macht uns nicht zu schlechten Eltern. Es zeigt, dass wir aus Liebe zu unseren Kindern und uns selbst bereit sind, an uns zu arbeiten.
Es braucht Zeit, bis neues Verhalten zur Gewohnheit wird. Und es ist kein einfacher Weg. Während wir ihn gehen, dürfen wir uns immer mal wieder selbst auf die Schulter klopfen und sagen: Ich bin in jedem Moment so gut, wie ich es gerade sein kann. Das ist gut genug.
Was tust du, nachdem du deine Kinder angeschrien hast?
Themenverwandtes bei Mini and Me:
- „Mama, nicht schreien!“ – Wie wir es schaffen, unseren Kindern auch in schwierigen Situationen liebevoll zu begegnen (und 5 Alternativen zum Schreien)
- „Mama, siehst du mich?“ – Wie wir die Gefühle unserer Kinder unbewusst verleugnen und der einfache Weg, damit aufzuhören
- Trotzphase: Wie wir unsere Kinder durch die Wut begleiten und dabei etwas Wichtiges über uns selbst lernen können (ohne Strafen, Drohungen und Konsequenzen)
- Ich pfeif auf Konsequenz! – Vom „zu sich Finden“ als Mama und dem steinigen Weg dorthin
- Good Enough Parenting: Warum es wichtig ist, nicht perfekt sein zu wollen (und 9 Tipps, wie wir Eltern uns weniger Druck machen)
Dieser Artikel wurde inspiriert von imperfectfamilies.com.
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2 Antworten
Ja, das passiert. Wenn ja, dann erschrecke ich oft über mich selbst. Ich versuche dann meistens, tief durchzuatmen, mich zu entschuldigen und es zu erklären.
Das kenne ich und versuche ich dann auch. Zum Glück läuft es momentan ganz gut, aber ich denke, es wird auch wieder Zeiten geben, wo es schwieriger ist für mich. Meine Geduld hängt so stark von anderen Faktoren ab – leider. Stress in der Arbeit wirkt sich oft negativ aus, wichtige Termine, Schlafmangel, Geschehnisse, die mich beschäftigen… all sowas halt. :) Irgendeinen Grund gibt es oft. Da ist sicher die Herausforderung, das im Miteinander mit unseren Kindern so gut es geht zur Seite zu schieben und ganz da zu sein.