Mini and Me

Mein Geburtserlebnis aufarbeiten und annehmen können (und was ein Monty Python Sketch damit zu tun hat)

Ich weiß nicht, ob ihr’s schon wusstet, aber ich mache heuer die Ausbildung zur Stillberaterin. Dafür lese ich gerade das Handbuch für die stillende Mutter, von der La Leche League.* Ein Teil der Ausbildung – auf deren Weg ich euch gern ein Stück mitnehmen möchte – besteht darin, die eigene Stillgeschichte zu reflektieren.

Was aber gerade mit mir passiert, setzt woanders an und umfasst viel mehr: Ich spüre, welch großen Einfluss das Geburtserlebnis auf die ersten Wochen und Monate nach der Geburt hatte. Und ich fühle, wie wenig ich davon bis heute verarbeiten konnte.

Dieser Artikel ist ein Stückchen Weg, das ich ungeplant mit euch teile. Aber vielleicht ist es auch für euch, falls ihr ähnliches erlebt habt, wichtig.


Auch eine seelische Narbe bleibt

Als ich das Expertinneninterview über Hausgeburten am Blog veröffentlichte, konnte ich Sissis Antworten nicht lesen, ohne Tränen. Da ist so ein starker Wunsch, so vieles, das anscheinend noch immer in meinem Kopf und in meinem Herzen so als irgendwie nicht richtig empfunden wird.

Dabei geht es um erlebte Gefühle wie Machtlosigkeit, Unfähigkeit, Ohnmacht, Ausgeliefertsein, Kontrollverlust… Also nichts, das man irgendwie durch rationale Gedanken beeinflussen könnte. Wär es korrekt, hier von einem Trauma zu sprechen? Ich weiß es nicht. Gerade das anfangs genannte Buch konfrontiert mich immer wieder – sobald es um die Geburt geht – mit Dingen, die noch nicht aufgearbeitet wurden.

Und zwischendrin denk‘ ich mir: „Ach was, so schlimm war’s doch gar nicht.“ und rufe mir jene Momente ins Gedächtnis, die ich als positiv in Erinnerung habe. Aber sehr schnell werden sie von anderen Erinnerungsfetzen überschattet; ganz automatisch, ohne es zu wollen.

Wenn ihr bei einem Sketch von Monty Python weinen müsst, wisst ihr wahrscheinlich Bescheid.

Und nein, so wie im Video war’s nicht. So waren auch die involvierten Menschen nicht.

Aber die Antwort der Anästhesistin beim ungeplanten Kaiserschnitt, auf meine Frage: „Was passiert nun? Was machen Sie jetzt?“, zählt zu jenen Aussagen, die mich mit einem Gefühl zurückließen, das ich wohl niemals vergessen kann. Sie lautete ungefähr: „Jetzt entspannen Sie sich doch endlich. Sie konnten vorhin auch schon nicht locker lassen!“.

Das sagte sie mir, nachdem mich einige Stunden zuvor beim Setzen der – ursprünglich nicht gewollten – PDA durch ihre Hand ein Stromschlag durchfahren hatte, der mein rechtes Bein gefühlt an die Wand gegenüber klatschte.

Hätte ich nur „locker gelassen“…

Lasst mich meine Aussage von vorhin korrigieren: Ein Mensch war da, der perfekt ins Video gepasst hätte. Eine solche Antwort in einer solchen Situation, bringt das Fass wohl zum Überlaufen. Es hat mich viel Kraft gekostet, einzusehen, dass der Kaiserschnitt nicht aufgrund meiner „Anspannung“ notwendig war.

Vielleicht hatte die Anästhesistin einen schlechten Tag. Vielleicht ist sie nicht immer so. Ich werde es wohl nie erfahren. Wahrscheinlich sollte ich ihr dankbar sein, denn immerhin spürte ich meine Beine bald nach der Geburt wieder.

Meine Tochter ist gesund. Das ist ein Segen. Ich frage nicht nach mehr. Ich wünsche mir nicht mehr.

Ihre Geburt war, wie sie war. Das ist in Ordnung. Mehr noch, ich bin dankbar.

Dennoch muss das Erlebte verarbeitet werden. Irgendwie. Ich möchte bei den Gedanken an die Machtlosigkeit, beim kurzen Aufflackern durchlebter Sequenzen die anmuten, wie nur geträumt, nicht mehr traurig sein.

Ich möchte annehmen können. Lieben. Auch den Beginn.


Teilt ihr eure Geburtserfahrungen mit mir?

Wie geht es euch beim Gedanken daran?

 

PS: Ich habe schon einmal darüber geschrieben, wie es ist, wenn die Geburt anders verläuft als geplant. Darüber, wie ihr Babys Bäuchleingesundheit (auch nach Kaiserschnitt) etwas Gutes tun könnt, habe ich mit einer Hebamme gesprochen.

PPS: Es soll hier nicht um Kaiserschnitt vs. natürliche Geburt gehen. Das darf nicht das Thema sein. Ich habe mich mit dem Kaiserschnitt versöhnt. Er war notwendig, er war gut. Manchmal gibt es keine andere Option. Mein Arzt, die Hebamme, die Schwestern haben dafür gesorgt, dass meine Tochter und ich hier sind, gemeinsam, gesund. Es geht mir im Artikel um das Erlebte rund um die Geburt. Und da spielte der Kaiserschnitt eben eine entscheidende Rolle. Ich hoffe, dass das auch im Artikel lesbar war.

Bewusster leben per Mail

Gerne hier? Dann schließe dich rund 10.000 anderen AbonnentInnen an! Im kostenlosen Newsletter erhältst du Impulse zur bewussten Elternschaft und Lebensgestaltung, sowie diverse Empfehlungen und Infos zu Neuigkeiten direkt in deinen Posteingang. Ich freu mich auf dich!

Genauere Informationen entnimm bitte der Datenschutzerklärung.

Wir wertschätzen deine Privatsphäre. Du bekommst keinen Spam & kannst dich wieder abmelden. Powered by ConvertKit

13 Antworten

  1. Hallo! Kann deine gefühle und gedanken nachvollziehen. Auch bei mir endete es so. Notkaiserschnitt. Und dazu noch komplikationen. Das ganze hat mich sehr mitgenommen und mir sehr viel angst gemacht. Man hat mir aber im spital nie das gefühl gegeben, dass ich ’schuld‘ dran hab oder mich zu wenig entspannt habe. Allerdings war die betreuung während der geburt nicht optimal. Mental und einfühlungstechnisch gesehen. Baby und ich hatten an den geschehnissen sehr lang zu knabbern. Bis dato tu ich mich sehr schwer mich für ein zweites kind zu entscheiden. Ich denke, das hat irgendwie mit den gravierenden erlebnissen zu tun. Im nachhinein sprach ich mit einer hebamme. Die hat mir dann sehr wohl gesagt, dass man eine geburt damit beeinflussen kann, wenn man sich nicht entspannt. Wobei entspannen und geburt sich für mich ohne seelische unterstützung nicht vereinbaren lässt. Ich hatte ohne übertreibung todesangst. Sowas will man ja auch nicht hören. Eine geburt ist was wunderschönes. Etwas, das weh tut. Das nicht besonders schön ist, wegen der schmerzen. Aber es geht. So zumindest hat es mir eine freundin erzählt. Soooo schlimm ist das auch nicht. Nur das jeder Mensch verschiedwn ist und jeder es unterschiedlich empfindet. Dran denkt wohl niemand.

    Zurück zur entspannung. Na toll hab ich mir gedcht, als mir die hebammedas erzählte, da is ja mama schon wieder die schuldige wie bei den meisten dingen, wenn mit baby was nicht hinhaut. Find ich auch irgendwie nicht richtig alles der mama in die schuhe zu schieben.

    Sie meinte, dass halt nicht jede frau zum gebähren ‚fähig‘ ist. Persönlich hat sie mir, falls wir uns zu einem zwwiten entscheiden, zu einem geplanten kaiserschnitt geraten. Damit ich mich nicht mehr so lang rumquälen muss. Das gab mir auch zu denken.

    So, aber jetzt schluss mit meinem roman ?

    Liebe grüsse

    1. Sabine, das ist aber eine komische Hebamme gewesen, normal motivieren Hebammen, geben einem Kraft und machen keine Panik.
      Deine Freindin wollte dir damals zudem sicher nur keine Angst vorab machen. Die Geburt ist nicht toll, sie ist furchtbar, vorallem, wenn sie lange dauert. Unter normalen Umständen aber entschädigt das Kind am Ende. Man vergisst das alles einfach, weil das Kind nun viel wichtiger ist.
      Passiert das nicht, muss man das Geschehene unbedingt mit einer guten Hebamme oder einem Therapeuten aufarbeiten

  2. Bei der Geburt meiner Tochter, mein fünftes Kind, kam es zu einer Schulterdystokie. Es War der Horror, wenn ich an die Geburt denke,schießen mir sofort Tränen in die Augen, auch jetzt noch, elf Monate danach.
    Es wäre ein schöne Geburt gewesen, wäre sie nicht stecken geblieben, ich wusste sofort das was nicht stimmt und mein Gedanke war, das ich ohne Kind nach Hause gehe. Ich bin sehr froh das doch noch alles gut gegangen ist, aber ich kann es nicht richtig verarbeiten

  3. Unglaublich wie sehr einen die Geburt mit dem ganzen drumherum prägt. Ich finde es immer wieder total erstaunlich wie sehr mich „das alles“ verändert hat. Zum Glück wächst man an seinen Herausforderungen, wichtig ist es zu verarbeiten und nicht beiseite zu schieben!

  4. Meine Geburt lief leider auch nicht so ab, wie gewünscht. Nach einer tollen, unkomplizierten Schwangerschaft hatte ich eine geplante Hausgeburt mit der Hebamme meines Vertrauens. Während der Geburt konnte ich mich immer wieder entspannen und war ganz bei mir, Wehe um Wehe viele Stunden lang. Die herbeigesehnte letzte Phase der Geburt verlief dann sehr schnell und meine Tochter war geboren! Doch als dann schließlich die Plazenta geboren war, stellte meine Hebamme einen zu großen Blutverlust fest. Wir wurden dann mit der Rettung ins Krankenhaus gebracht, darauf folgte eine OP von der ich (zum Glück) am nächsten Tag auf der Intensivstation erwachte. Dank meiner Hebamme, die sofort richtig reagierte und natürlich den Ärzten, die mich operierten, hab ich diese schwere Atonie überlebt. Niemals hätte ich mir gedacht, dass mir sowas passieren könnte. Die Ärzte machten weder mir noch meiner Hebamme Vorwürfe, dass wäre leider auch im Krankenhaus so passiert. Ich war zu allererst dankbar dafür, dass ich das ganze überlebt habe, aber auch traurig, dass ich diese ersten Stunden nicht dort war wo ich hingehörte, zu meinem Kind. Dafür kuscheln wir jetzt um so mehr :-)

  5. Darf ich fragen, wo du die Ausbildung zur Stillberaterin machst? Mich würde die Ausbildung auch sehr interessieren, habe den Gedanken jedoch wieder verworfen, da ich die Information bekam, dass man eine medizinische Grundausbildung (Hebamme, DGKP, …) benötigt. Über eine Rückmeldung würde ich mich sehr freuen.

  6. Hallo, es tut mir leid, dass Ihr solche nicht so schönen Erinnerungen an eure Geburten habt! Das ist wirklich traurig, da eine Geburt doch das schönste im Leben sein sollte. Und damit auch die, denen es noch bevor steht, wissen das es auch anders geht, schreibe ich hier. Ich hab nämlich zwei echt tolle Geburten erlebt, ganz ohne Stress und Schmerzmittel. Natürlich tut es weh und ist anstrengend, aber es ist auch einfach ein unbeschreibliches Gefühl, welches für immer bleibt. Und wenn man es geschafft hat (egal wie), kann man sehr stolz auf sich sein. Lg, Michelle

  7. Obwohl wir im Nachhinein eine recht „schnelle“ Entbindung mit insgesamt 11 Stunden von der ersten Wehe bis zur Geburt hatten, hatte ich an diesem Erlebnis lange zu knabbern. Ich wurde toll betreut und versorgt, daran lag es nicht, aber diese schiere Urgewalt der Wehen, diesen kompletten Kontrollverlust den ich empfand, konnte ich lange nicht verarbeiten. Noch Monate nach der Entbindung schossen mir manchmal ohne Vorwarnung die Tränen in die Augen.
    Ich hatte eine protrahierte ( zu lange) Austreibungsphase, als die Hebamme meinte, das mein Kind jetzt dann bald da wäre, hatte ich noch mehr als 4 Stunden Presswehen. Letztendlich haben wir es mit etwas Hilfe von außen dann geschafft.
    Die Erinnerung an die Geburt meines Sohnes ist immer noch mit diesem Gefühl des Kontrollverlusts ( und der für mich damit verbundenen Angst) verbunden, obwohl ich das Ganze jetzt, mittlerweile 2 Jahre danach, auch liebevoll ( auch mir selbst gegenüber) betrachten kann.

  8. Ich persönlich hatte keinen Kaiserschnitt bei der Geburt meiner Tochter, jedoch die Geburt als traumatisch erlebt und lange gebraucht sie zu verarbeiten

    Ich habe im ersten Jahr nach der Geburt verschiedene Wege der Aufarbeitung in Anspruch genommen, weil ich bei jeder Geburt von Freundinnen und Co. gemerkt habe, wie traurig und verstört ich aus der Geburt meiner Tochter gegangen bin

    Sehr empfehlen kann ich die Geburtsaufarbeitung im Hebammenzentrum Nanaya (in der Gruppe, ist aber auch einzeln möglich)

  9. Es tut gut zu lesen, daß man auch mit diesem Thema nicht alleine ist, danke dafür! Die Geburt meines Kindes ist nun schon über ein Jahr her, und ich habe vor kurzem damit begonnen, sie mit professioneller Hilfe aufzuarbeiten, da ich einfach noch so oft daran denken muß, und es mich immer noch so traurig macht. Es war objektiv betrachtet eigentlich eine relativ rasche und natürliche Geburt, so wie ich es mir erhofft hatte, nur leider musste sie unvorhergesehenerweise eingeleitet werden. Aber woran ich jetzt noch zu knabbetn habe, sind die Bemerkungen der Hebamme während der Geburt, und der Schwestern auf der Wochenstation in den Tagen danach. Die Verletzlichkeit als Gebärende ist mir glaube ich erst im Nachhinein bewußt geworden. Aber daß das Personal im Krankenhaus, das tagtäglich damit zu tun hat, sich dessen nicht bewußt ist, und teilweise so wenig Feingefühl an den Tag legt, macht mich so wütend. Kleine unüberlegte Äußerungen in deren Berufsalltag können uns anscheinend noch lange Zeit aufwühlen.
    Ich wünsche mir, daß es mir bald gelingt, es zu verarbeiten und anzunehmen, aber der Weg dahin fühlt sich noch etwas steinig an…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert