Wer einmal vom mächtigen Travelbug gebissen wurde, wird ihn so schnell nicht mehr los. Wie ist es aber, wenn das Leben die Weichen für mehrere Jahre in einem fremden Land stellt? Im Ausland leben mit Kindern – eine Option?
Nachdem Ulli uns letzte Woche, im ersten Artikel der Reihe „Expat-Mamas: Home away from Home“, einen Einblick in ihr Familienleben in Idaho gewährt hat, freue ich mich, euch heute Sandra vorzustellen. Sie lebt mit Baby, Ehemann und etwa 20 Millionen anderen Menschen in Seoul, der Hauptstadt Südkoreas.
Danke fürs Mitmachen, Sandra!
Sollten Fragen offen bleiben, stellt sie bitte jederzeit in den Kommentaren!
Viele Antworten rund ums Auswandern mit Kind findet ihr übrigens bei expatmamas.de. Jonna, selbst ehemalige Auswanderin, betreibt die erste deutschsprachige Seite für Frauen, die mit ihren Familien im Ausland leben. Merci, liebe Jonna, fürs Teilen meines Aufrufs!
Im Ausland leben mit Kindern: Seoul, Südkorea
Mein Name ist Sandra und zusammen mit meinem Mann bin ich 2014 aus der Nähe von Frankfurt am Main nach Seoul in Südkorea gezogen. 2015 kam hier unsere Tochter zur Welt.
Wie bist du nach Seoul gekommen?
Mein Mann hatte die Chance, von seiner Arbeitsstelle hier in Seoul einen Job zu bekommen. Ich bin Lehrerin und nachdem ich hier in Seoul an der Deutschen Schule auch einen Job bekommen habe, hatten wir uns entschieden, für drei Jahre auszuwandern. Nächstes Jahr geht es also wieder zurück nach Deutschland.
Wie ist das Leben in Südkorea verglichen mit dem in Deutschland?
Puuuhhhh… da könnte ich ja jetzt einen Roman schreiben. Lass mich mal 3 positive und 3 negative Dinge aufzählen. Beginnen wir mit dem Positivem:
1. Sicherheit: Kriminalität ist hier nicht besonders hoch und auch nachts und in den verwinkeltsten Gassen fühlt man sich selbst als Frau sicher!
2. Öffentliche Verkehrsmittel: egal ob mit Taxi, Bus oder Metro, man kommt überall schnell und vor allem günstig hin, denn an jeder Ecke erwischt man schnell ein Taxi und Busse und Bahnen kommen im 5 Minuten Tackt!
„Die U-Bahn gibt es in Seoul seit 1979 und ist mit fast 8 Millionen Fahrgästen täglich das höchst ausgelastete U-Bahn-System der Welt.“ – aus Sandras Artikel Öffentliche Verkehrsmittel in Seoul
3. Vielfalt: Lust auf Sport im Park, eine Schiffsfahrt auf dem Han-Fluss, koreanische Kultur in einem der zig Paläste erleben, Shoppen im Einkaufszentrum, Museum oder Schwimmbad? Alles innerhalb von wenigen Minuten zu erreichen! Auch nach 2 Jahren entdecken wir immer noch etwas Neues und es wird uns hier nie langweilig!
Die andere Seite der Medaille:
1. Luft: Smog ist auch in Seoul ein Thema und so kommt es in letzter Zeit leider immer häufiger vor, dass man nicht lange raus gehen sollte, weil die Luftwerte einfach zu schlecht und damit schädlich für die Gesundheit, vor allem für Kinder, sind.
„Seit 2005 darf in Europa der Tageswert [Feinstaub, Anm.] nicht höher als 50 sein, in den Großstädten in China liegt der Durchschnittswert allerdings bei 150-200! Meine Luftverschmutzung-App zeigt mir einen ungesunden und orangenen Bereich ab dem Wert von 100 an. Erst dann gehe ich nicht mehr lange raus, öffne kein Fenster mehr und versuche so viel wie möglich drinnen zu bleiben, vor allem jetzt mit unserer kleinen Maus.“ – aus Sandras Artikel ‚Die vier Jahreszeiten in Korea‚
2. Natur: Das Land Südkorea bietet viel Grün und Natur und Berge. Um das aber erleben zu können, muss man schon ein Stück fahren und ohne Auto und mit Kind ist das ein bisschen mühsam. Das vermisse ich neben der guten Luft in Deutschland doch auch am meisten: grüne Felder, Wiesen und Wälder direkt um die Ecke!
3. Verkehr: Es gibt hier in Seoul unheimlich viele Autos. Logisch, bei fast 20 Millionen Einwohnern! Die Straßen sind einfach nie leer! Ständig und zu jeder Zeit fahren Taxen, Busse, Autos und Roller auf den Straßen. Roller fahren leider auch noch dazu oft auf dem Gehsteig, was wirklich gefährlich ist! Man ist hier also nie alleine und leise wird es hier auch nicht oft!
Was kann Deutschland von Südkorea lernen, was das Leben als Familie bzw. mit Kindern anbelangt und umgekehrt?
Das tolle für Kinder hier ist wieder die Vielfalt, die Seoul ihnen zu bietet hat. Wir können innerhalb von 5-30 Minuten vier verschiedene Indoorspielplätze mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen. Also auch bei schlechtem Wetter oder bei schlechter Luft gibt es immer was zu entdecken. Toll ist auch die Auswahl der verschiedenen Kindergärten und Kitas, die man hat und in denen man sein Baby schon sehr früh abgeben kann, wenn es die berufliche Lage nicht anders zulässt. Negativ daran ist aber, dass es hierfür teilweise lange Wartelisten gibt, dass es für Ausländer nicht so leicht ist, an so einen Platz zu kommen und dass die privaten Kindergärten sehr teuer sind.
Den Mutterschutz, den wir in Deutschland bzw. Europa kennen, gibt es hier nur in abgeschwächter Form. Mütter müssen ziemlich früh nach der Geburt (teilweise drei Monate danach) wieder zurück an ihren Arbeitsplatz, sonst verlieren sie ihren Job. Auch Erziehungs- und Kindergeld gibt es hier nur in abgeschwächter Form. Es gibt hier zum Beispiel vom Staat eine Geldkarte mit der man diverse Arzt- und Krankenhausrechnungen zahlen kann. Oder man bekommt auch unter bestimmten Umständen ganz oder teilweise den Kita- oder Kindergartenplatz bezahlt.
In Deutschland bzw. Europa ist der Mutterschutz, aber auch die Rechte, die ein Vater wahrnehmen, darf sehr viel ausgereifter und um die Geburtenrate in Korea, die bei 1,2 Kinder pro Frau liegt (im Vergleich: Deutschland 1,4) ist es höchste Zeit, etwas Positives für Familien und werdende Mütter zu tun, damit sich wieder mehr Familien trauen, Kinder zu kriegen.
„Viele koreanische Mütter ziehen [nach der Geburt] eine Weile zu den Eltern oder lassen die Eltern bei sich wohnen, die sich dann wirklich 24 Stunden um Mutter und Baby kümmern können, eine Betreuung durch eine Hebamme gibt es hier nämlich nicht. Deswegen kümmert sich meistens die Familie um Mutter und Baby. Und das oft die ersten 100 Tage! Diese Zahl ist sehr magisch in Korea! Man sagt, dass wenn Mutter und vor allem Baby 100 Tage gesund bleiben, sie das Schwierigste geschafft haben. Deshalb verlassen viele Mütter mit ihren Babys die ersten 100 Tage auch nicht das Haus!“
– aus Sandras Artikel Schwanger bzw. mit Baby in Seoul
Welche (kulturell bedingten) Unterschiede in der Kindererziehung sind dir besonders aufgefallen?
Koreaner erziehen ihre Kinder definitiv anders als Deutsche und (ich würde auch mal behaupten) Österreicher. So merke ich zum Beispiel, dass es wohl nicht normal ist, dass ich mein 11 Monate altes Kind überall herumkrabbeln und klettern lasse. Das trauen sich einige Mütter hier nicht. Ist ihnen dann doch zu dreckig und gefährlich.
Klar probiere ich, meiner Tochter auch schon beizubringen, „Hallo!“ und „Tschüss!“ zu sagen oder zu winken, die koreanischen Kinder werden hier auch noch dazu ermuntert sich zu verbeugen, wenn sie einen begrüßen oder verabschieden. Respekt vor Älteren wird hier großgeschrieben!
Ein weiterer großer Unterschied liegt außerdem in der Schulbildung. Die meisten europäischen Kinder werden als Individuen gesehen; sie dürfen sich entfalten, wie sie möchten und normalerweise nach dem Schulabschluss studieren oder eben auch nicht. Hauptsache sie erlernen einen Beruf, der ihnen Spaß macht und mit dem man seinen Lebensunterhalt verdienen kann. In Korea ist es besonders wichtig, dass man studiert. Egal was, Hauptsache man macht sein Abitur und geht studieren, sonst ist es leider schwer, in der Gesellschaft anerkannt zu werden.
Diesen Druck spüren leider auch die Kleinsten. In den Koreanischen Babytreffen, zu denen ich jede Woche gehe, erhalten die Kleinen sehr viel Input. Es werden schon so früh Vokabelbilder gezeigt, es passiert ständig etwas Neues und ganz wichtig ist das Stillsitzen! Das Stillsitzen, das kann ich als Lehrerin wohl sagen, können sich einige deutsche Kinder von den koreanischen Kindern abschauen! :-) Aber der viele Input und der Frontalunterricht, ohne dass den Kindern viel Freiraum gegeben wird, mal längere Zeit etwas auszuprobieren oder zu entdecken, was sie grade machen möchten, ist manchmal für die ganz Kleinen ein bisschen zu viel.
Trotzdem gehe ich gerne in die koreanischen Krabbeltreffs, denn die Lehrerinnen (so werden die Kursleiterinnen hier genannt) geben sich immer sehr viel Mühe und obwohl alle 10 Minuten etwas Neues passiert, sind die Gegenstände, die die Kinder entdecken können und die Themen, die behandelt werden, schon toll! Und als Mama hat man ja immer die Hoffnung, dass das Kind vielleicht doch was „gelernt“ hat! ;-)
Sprichst du Koreanisch? Kommt man in Seoul auch mit Englisch durch?
Direkt in den ersten drei Monaten, die ich hier war, habe ich mich an der Uni für einen Crashkurs in Koreanisch angemeldet. Dadurch habe ich ein bisschen Koreanisch gelernt und kann mich nun vorstellen, nach dem Weg fragen, ein bisschen Smalltalk führen und Essen bestellen. Da diese Sprache allerdings so rein gar nichts mit den Sprachen gemeinsam hat, die ich schon kenne (Deutsch, Englisch, Italienisch, Polnisch), ist es mir sehr schwer gefallen, im Kurs mitzuhalten und viel aufzuschnappen.
Mit Englisch kommt man hier nur zurecht, wenn man Glück hat, einem Koreaner zu begegnen, der Englisch spricht. Zwar wird es an jeder Schule und Uni gelehrt, aber der Fokus liegt auf der Grammatik und dem Lesen anstatt des Sprechens. Deshalb scheuen sich viele Koreaner, Englisch zu reden. Es gibt aber dennoch auch genügend Koreaner, die auch im Ausland (viele in Kanada und Australien) gelebt haben und deshalb gut Englisch können. Auch erwischt man mal einen Taxifahrer, der gut Englisch kann, da viele Taxifahrer hier nach der Rente sich noch etwas dazuverdienen und in ihrem früheren Job auch Englisch sprechen mussten. Oft hat man allerdings Pech und kommt nur mit ein bisschen Koreanisch, Körpersprache oder Google-Übersetzer zurecht.
Wie würdest du die Jobchancen für Ausländer generell einschätzen?
Generell ist es schwierig, hier in Südkorea einen Job zu bekommen, wenn man nicht gerade von der eigenen Firma hier her geschickt wird. Was aber im Moment immer noch gesucht wird, sind Lehrer, die an koreanischen Schulen ihre Muttersprache unterrichten. So kann zum Beispiel jeder Deutscher oder Österreicher, der ein abgeschlossenes Studium hat, nach Korea, um Deutsch zu unterrichten. Ich als Englischlehrerin, mit einem abgeschlossenem Englisch Studium, darf hier allerdings kein Englisch unterrichten. Das übernehmen dann lieber die vielen Amerikaner und Kanadier, die hier für eine Weile ihre Sprache an koreanischen Schulen lehren.
Welche Erfahrungen haben dich am meisten geprägt?
Die Frage ist sehr schwer zu beantworten, da ich sicherlich erst wieder nach einiger Zeit in Deutschland wissen werde, was mich in Seoul/Korea geprägt hat. Allerdings kann ich jetzt schon mal sagen, dass es ganz toll ist und ganz toll war, so eine komplett andere Kultur als die europäische, kennenzulernen. Die Menschen hier sind, meiner Meinung nach, freundlicher, aber auch schüchterner, zurückhaltender und rücksichtsvoller. Was natürlich nicht immer positiv ist, denn die direkte und offene Art vieler Deutscher und ihr selbstbewusstes Auftreten, mag ich natürlich auch an meinen Landsleuten! :-) Aber gegenseitig können wir was voneinander lernen und das ist ja auch gut so!
Würdest du noch einmal auswandern?
Das Auswandern ohne Kinder war zwar spannend und aufregend, aber auch schwierig zugleich, da man ja bewusst einige Zeit lang Familie und Freunde – die wir hier am meisten vermissen – hinter sich lässt. Mit einem Baby ist das Ganze noch etwas schwieriger. Zwar haben wir hier ein bis zwei Mal die Woche Hilfe von unserer Nanny, aber Oma und Opa, Tante und Onkel fehlen doch schon sehr!
Auf der anderen Seite habe ich als Lehrerin an der Deutschen Schule in Seoul auch viele Kinder kennengelernt, die seit ihrer Geburt alle paar Jahre in ein anderes Land ziehen, da ihre Eltern beruflich bedingt dorthin geschickt werden. Sie lernen einfach ein ganz anderes Leben kennen, mit ganz anderen Werten, als Kinder, die verwurzelt an einem Ort oder in einem Land aufwachsen.
Beides hat also seine Vor- und Nachteile und ob wir noch einmal mit oder ohne Kinder auswandern werden, wird die Zukunft zeigen. Ganz ausschließen werden wir es jedenfalls nicht. Unsere Heimat wird aber immer Deutschland bleiben, in das wir immer wieder gerne zurück kommen!
Mehr interessante Artikel zu ihrem Leben in Seoul gibt’s auf Sandras Blog!
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Habt ihr Fragen an Sandra?
Wäre für euch ein Leben in Seoul denkbar?
Ich bin gespannt auf eure Meinungen, auch zur neuen Reihe allgemein!
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Schön, dass ich den Kontakt vermitteln konnte! Und vielen Dank für den Hinweis auf die Expatmamas!
Danke dir, liebe Jonna, und sehr sehr gern! :)
Vielen Dank für den interessanten Artikel. Ich stelle mir den Kulturunterschied sehr heftig vor. Spannend, aber oft auch schwierig. Und gerade mit einem kleinen Baby. Echt ein Abenteuer :-).
Liebe Grüße,
Kornelia
Danke dir für dein Kommentar, Kornelia! :) Oh ja, das stimmt. Grad in der Schwangerschaft hatte ich so viele Fragen und war froh, viele vertraute Gesichter um mich zu haben.
Ist Koreanisch schwer?
Kann man das Sprache auch alleine lernen ?