In den letzten Tagen habe ich mit mehr Menschen über meine Gedanken zur Erziehung oder Nichterziehung, über das Leben als Familie und über meine Sicht auf die Dinge gesprochen, als jemals zuvor. Und das, obwohl ich schon begonnen habe, einschlägige Ratgeber und Blogs mit viel Gesprächsstoff zu lesen, bevor die Kleine da war.
Den Grund für diesen Schwall an Selbstreflexion darf ich euch hoffentlich bald verraten, aber bis es soweit ist, möchte ich ganz dringend loswerden, was mich einfach nicht loslässt.
Erziehungsmethoden: Warum keine die eine Antwort ist
Schon lange denke ich darüber nach, einen Artikel zu verfassen, der da heißt: „Unerzogen ist die logische Konsequenz von Attachment Parenting“. Und dann frage ich mich, warum ich eine Lanze brechen sollte für Erziehungsstile bzw. Haltungen, die so nie zu 100 % widerspiegeln, was mir wirklich wichtig ist?
Ich kann vielem viel abgewinnen, vor allem diesen beiden „Strömungen“ – so ist es ja nicht.
Aber. Und das aber wird lang.
Attachment Parenting: zwischen Druck und Bestärkung
Attachment Parenting, die Betonung der Wichtigkeit der Bindung zum Kind, hat mich kurz nach der Geburt zum Beispiel sehr unter Druck gesetzt.
Ich hatte einen Kaiserschnitt, den ich nicht wollte. Und davor hatte ich bereits unzählige Male gelesen, wie sehr das meiner Tochter und mir den Start in unser gemeinsames Leben erschweren könnte. Die Bindung würde darunter leiden.
Was war ich froh, dass „zumindest“ das Stillen funktionierte. Mit meiner damaligen Unsicherheit hätte ich es vermutlich ganz furchtbar gefunden, mein Kind mit dem Fläschchen ernähren zu „müssen“. „Jetzt kannst du das mit der guten Bindung ein für alle Mal vergessen“, hätte ich mir wohl gedacht.
Unglaublich, was so los sein kann, in einem verunsicherten, hormongeschüttelten Neumamakopf, oder?
Stillen oder Fläschchen? Beides sagt nichts über Liebe aus
Heute weiß ich, dass diese ganze Busen-Fläschchen-Sache nichts mit einer innigen Bindung oder liebevollen Beziehung zu tun hat.
Ich werde immer noch jeder Mama ans Herz legen, ihr Kind zu stillen, wenn sie es kann. Weil keine Säuglingsnahrung an die Eigenschaften von Muttermilch rankommt, was die gesundheitlichen Faktoren angeht. Aber darum geht es nicht.
Der Schlüssel ist Liebe.
Es geht um Nähe und Geborgenheit. Ums Hinsehen. Verstehen. Dasein. Bedingungslosigkeit.
Die Ernährung hat mit all diesen Faktoren nichts zu tun. Genauso wenig wie die Art und Weise, mit der du dein Kind zur Welt gebracht hast. Bindung und Liebe definieren sich nicht über vaginale Entbindung oder Kaiserschnitt, nicht über Busen oder Flasche, nicht über Krabbelgruppe mit einem Jahr oder Kindergarten mit drei.
Freilich will die Bewegung des Attachment Parenting nicht verunsichern, das ist mir klar.
Aber dieses Gefühl, das ich in den ersten Tagen und Wochen als Mutter hatte, gehört genauso zu meinem Erlebten, wie all die wunderbaren Möglichkeiten und das zuhause Fühlen, das mit der bindungsorientierten Elternschaft kam.
Geholfen hat mir die Beschäftigung mit AP dabei, für mich festzulegen, mich frei zu fühlen:
- Ich kann mein Baby nicht verwöhnen.
- Ich kann ihm gar nicht genug Liebe schenken.
- Ich kann nicht aufmerksam genug sein, es nicht zu liebevoll begleiten, ihm nicht zu viel Trost spenden.
Attachment Parenting hat mich dabei unterstützt, relativ früh aus vorgedachten Strukturen – die die Gesellschaft uns zum größten Teil so suggeriert – auszubrechen. Und mich darin sicher zu fühlen.
Dafür bin ich dankbar.
Unerzogen: Alles eine Frage der Definition
Und dann ist da unerzogen. Das eine Wort, das mich so sehr beschäftigt in letzter Zeit. Ich lese überall „Erziehung ist Gewalt“ und ich kann dem Gedanken definitiv etwas abgewinnen. Anfangs war ich noch skeptischer. Ich fand’s übertrieben. Bis ich mich einlas und mich und meine Ansichten in einigen Bereichen bestätigt sah.
Ich sah mir an verschiedenen Stellen auch die negativen Kommentare an, sah, dass anscheinend intelligente und aufgeschlossene Menschen interessante Einwände äußerten. Argumente, die man so nicht einfach weg reden kann, die ihre Berechtigung haben. Nicht immer, aber manchmal.
Ich stellte fest: alles eine Frage der Begriffsdefinition. Wie so oft.
Der Kern? Alle Menschen sind gleich. Groß, klein, alle.
Begreift man Unerzogen als das, was es in seinem Kern ist (Die Überzeugung, dass alle Menschen gleichwertig sind und die gleichen Rechte haben.), gibt es meines Erachtens nach nichts, das man bekritteln könnte. (Wobei es erschreckt, festzustellen, dass auch dieser glasklare, nachvollziehbare Grundsatz anscheinend von vielen Menschen abgelehnt wird.)
Fragen und Unsicherheiten entstehen hauptsächlich dann, wenn es ums praktische Leben, um die Anwendbarkeit und ums „Wie“ geht.
Unerzogen ist viel weniger, als man denken würde. Es kommt so ziemlich ohne Vorgaben aus.
Weil wenn man die Gleichheit aller Menschen – auch die der Kinder – mal intus hat, ergibt sich alles andere von selbst. Klingt easy, bedeutet jedoch, sämtliche antrainierte Muster, alles, was wir über Erziehung glauben zu wissen, liegen zu lassen. Ein harter Brocken.
Aber: Wir alle, jeder von uns, hat sehr verschiedene Vorstellungen und Erfahrungen, wenn es um Erziehung geht. Hier drehen wir uns im Kreis, denn ohne sich auf eine Definition von Erziehung zu einigen, spricht man bei Unerzogen halt leider oft von unterschiedlichen Dingen. Daher der Raum für Missverständnisse.
Auch scheiden sich die Geister bei der Debatte über „Wovor muss ich mein Kind schützen?“. Ist es nur das Überqueren der Straße ohne zu gucken, oder sind es auch so Dinge wie „übermäßiger“ Fernsehkonsum, Süßes, etc.
Die kindliche Integrität: Du bestimmst über deinen Körper!
Geht es um die Wahrung der Integrität unserer Kinder, so bin ich definitiv bei Unerzogen. Möchte mein Kind beispielsweise nicht hochgehoben werden, tue ich es nicht. Heißt: Ich frage vorher. Und das schon, seit sie ganz klein war.
Dafür hab ich mehr als einmal erstaunte Blicke geerntet. Das war in Ordnung.
Ähnlich verhält es sich auch beim Zähneputzen. Niemals würde ich sie zwingen. Wir diskutieren manchmal, ich versuche, zu überzeugen oder die Handpuppe so spannend einzusetzen, dass das Zähneputzen zur Nebensache wird. Und wenn mal alles nichts hilft? Dann wird nur ganz kurz geputzt. Und wenn sie es gar nicht zulässt? Na dann halt einmal nicht.
Davon werden die Zähne nicht schlecht und dadurch etabliert man auch nicht gleich irgendwelche ungesunden Muster.
Viel wichtiger ist es mir, meinem Kind beizubringen, dass mein Kind allein über seinen Körper bestimmt. Wenn es etwas nicht möchte – und ich es auch nicht davon überzeugen konnte, dass es gut wäre, etwas zu tun – dann geschieht das nicht.
Händewaschen, Zähneputzen, Essen, Trinken oder Schlafen unter Zwang, womöglich im Schwitzkasten?
Nicht bei uns, nicht mit ihr.
Meine Angst wohnt bei mir – nicht beim Kind
Seit ein paar Monaten beschäftige ich mich mit dem Thema Angst. Gemeint ist dabei meine eigene Angst, als Mama. Und das, was sie in Bezug auf mein Kind mit mir macht. Ich versuche zu reflektieren, wo meine Angst mich dazu verleitet, meinem Kind Freiräume zu nehmen, die ich ihm eigentlich gönnen könnte, wenn ich meine Angst besser im Griff hätte.
Dann gehe ich in vielen Situationen zurück zu mir, ermahne mich quasi selbst, und versuche nichts zu sagen. Weil ich für meine Angst verantwortlich bin, und nicht mein Kind. (Natürlich reflektiere ich in Gefahrensituationen nicht erst, sondern schreite ein.)
Ich weiß, dass das ein zentraler Punkt bei Unerzogen ist. Und das Coole an der ganzen Sache finde ich ja, dass es zur Selbstreflexion einlädt. Die ist immer gut.
Mit Befreiungsschlag in die eigene Elternschaft
Worauf ich hinaus will? Nun, es hat wohl alles seine Berechtigung.
Richtungen wie Attachment Parenting, Unerzogen, Gewaltfreie Kommunikation, und wie sie alle heißen, bieten an, geben Halt und schaffen ein Zugehörigkeitsgefühl in einer Welt, in der wir uns oft als Einzelkämpferinnen fühlen. Wir dürfen nur keinen Druck aufkommen lassen.
Wir können für uns mitnehmen, was sich gut anfühlt:
- Nimm dir, was für dich passt.
- Erkenne, was du stehen lässt.
- Habe den Mut, Unpassendes abzulehnen.
Ganz richtig, Mut ist gefragt. Denn es braucht einen Befreiungsschlag – als Mensch und als Elternteil – das zu tun, was man selbst wirklich möchte.
Wie oft wurde uns schon der richtige Weg suggeriert?
Und damit meine ich nun nicht primär Lektüre, sondern die Menschen um uns herum, die uns beeinflussen. Ich spreche von dem „man“ der immer genau weiß, was „man“ macht und was nicht.
Sich einzugestehen, dass vieles von dem, was als Usus gilt, für einen selbst nicht passt, erfordert meiner Meinung nach viel Nachdenken, suchen und hoffentlich auch finden.
Wir Eltern müssen, entgegen unserer eigenen Erziehung, wieder lernen, was es heißt, ungehorsam zu sein. Ein weiteres, super spannendes Thema. Eines für einen anderen Tag.
Es braucht einen Befreiungsschlag - als Mensch und als Elternteil - das zu tun, was man selbst wirklich möchte.Click To TweetWeg von gesellschaftlichen Erwartungen – hin zu mir, zu uns
Ich hab keinen Bock auf irgendwelche gesellschaftlichen Vorgaben, althergebrachte Meinungen und fremde Ideen, bei denen ich oftmals das Gefühl habe, als Mutter irgendwie unzulänglich zu sein.
Viele pädagogische bzw. unpädagogische Richtungen räumen an irgendeinem Punkt ein: Du bist gut genug. Aber glaub ich es ihnen wirklich?
Ich kann nicht immer gewaltfrei kommunizieren.
Ich konnte nach 2.5 Jahren doch nicht warten, bis sich mein Kind von selbst abstillt.
Ich schaffe es nicht, mein Kind so lange fernschauen zu lassen, wie es möchte.
Manchmal isst meine Tochter in der Früh als erstes einen Apfel, manchmal ein Überraschungsei. Eines aus Schokolade und mit Plastikspielzeug drinnen.
All das und noch mehr sagt nichts über meine Liebe zu meiner Tochter aus. Über die Art, wie wir einander begegnen und über die Achtung, die ich ihr entgegenbringe. Auch nicht darüber, wie wir Konflikte versuchen auf Augenhöhe zu lösen.
Es sagt nichts über die geballte Ladung an mühseliger Selbstreflexion, die ich an den Tag lege – immer mit dem Ziel, sie so gut ich eben kann zu begleiten.
Meine Wahrheit liegt in mir und in der Begegnung
„Begegne deinen Mitmenschen!“, höre ich es noch in meinem Ohr. Als ich mit Mama und Familienbegleiterin Sandra in ihrem urgemütlichen Haus beim Kaffee saß, wusste ich noch nicht, wie bedeutungsschwanger diese Worte für mich werden würden.
Wo liegen also die Grenzen aller Ideen, aller Vorgaben, an denen wir uns orientieren können, wenn wir möchten? Bei uns selbst. In ihrer Anwendbarkeit. Für mich liegt der Schlüssel darin vergraben, sich selbst zu begegnen. Hinzusehen, nicht nur bei anderen, sondern zu allererst bei mir, um festzustellen: Was kann ich, was will ich noch lernen, wo sind meine Grenzen?
Alles Leben ist Begegnung. Immer anders und immer neu.
Weil jeder Mensch und jede Situation so einzigartig ist und noch dazu jeder Mensch mit seinem eigenen Päckchen an Erfahrungen und Eigenheiten unterwegs ist, gibt es diese eine Formel, nach der wir alle suchen, nicht.
Leider, denn wie praktisch wäre das?
Also: Tritt in Kontakt, sieh hin. Sieh dir an, was du gerade brauchst, was dein Gegenüber möchte und findet gemeinsam einen Weg, der sich gut anfühlt. Oder zumindest einen, der OK ist.
Methoden und starre Abläufe haben im Leben mit unseren Mitmenschen, mit unseren Kindern, keinen Platz. Auch wenn uns oft das Gegenteil suggerriert wird: Das Schema X, auf das wir so gerne in jeder Situation zurückgeifen könnten, gibt es nicht.
Deshalb ist es ja so schwer, das „Richtige“ zu tun.
Deshalb finden wir uns nach einer Diskussion oder einem Streit allein mit uns selbst und der Frage: War das gut so? Nächstes Mal sind wir wieder am selben Punkt. Weil das, was gerade passiert ist, vielleicht ähnlich war. Aber eben doch nicht gleich. Irgendwelche Umstände verändern sich immer.
Vielleicht muss es deshalb gar nicht immer das Richtige sein. Vielleicht reicht auch das Mögliche.
15 Dinge, an die ich gerade glaube
„Gerade“ deshalb, weil mein Sein als Mama und die Elternschaft an sich, wie das Leben, eine Reise ist. Die eine Wahrheit gibt es nicht, das trifft für mich auch im Leben mit meiner Familie zu.
Gedanken, die mich gerade beschäftigen, Dinge, über die ich nachdenke und Mantras, die mich begleiten, sind zum Beispiel:
- Begegne deinen Mitmenschen! Sieh eure Bedürfnisse und finde Lösungen.
- Das Kind ist immer im Recht. Es ist an mir, die Situation so gut es geht zu gestalten.
- Vieles ist mir nicht so wichtig, wie ich dachte.
- Die meisten potenziellen Verbote entspringen meiner eigenen Angst. Oft ist die unbegründet.
- Jeder hat Grenzen, auch ich. Die darf ich zeigen und verteidigen.
- Ein überlegtes „Nein“ ist ein wichtiges Nein.
- Selbstreflexion. Mein eigenes „Warum“ erkunden und kritisch prüfen.
- Aktives Zuhören, die Gefühle meines Kindes sehen und zulassen. Begleiten.
- Es ist nicht meine Aufgabe, dass mein Kind in jeder Sekunde glücklich ist.
- Steige ich in die Kreise anderer, muss ich mit Widerstand rechnen.
- Tu nichts, was sich Scheiße anfühlt.
- Folge nicht immer deinem ersten Impuls.
- Entspann dich mal. Ist schwer, aber vielleicht kannst du’s trainieren.
- Lachen. Humor hilft.
- Atmen.
Das war bunt. Und mit diesem Wirrwarr an Gedanken möchte ich diesen Artikel schließen.
Ich hoffe, ich habe hiermit etwas geschaffen, von dem ihr euch etwas mitnehmen könnt, das für euch passt.
Etwas, bei dem ihr auch genau spürt, was für euch einfach so nicht stimmt. Widerspruch, Kritik, Einwand. Ja, genau. Das ist mindestens genauso wichtig wie sich verstanden und abgeholt zu fühlen.
Was denkst du?
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- Ich pfeif auf Konsequenz! – Vom „zu sich Finden“ als Mama und dem steinigen Weg dorthin
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- Kaiserschnitt: Wenn die Geburt anders verläuft als geplant
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12 Antworten
Liebe Jeannine,
In vielen deiner Worte und Gedanken finde ich aktuelle eigene Gedanken wieder. Ich ertappe mich in den letzten Wochen immer öfter dabei, mich mehr und mehr diesem schwer fassbaren „unerzogen“ zugehörig zu fühlen, aber auch das Kleid scheint nicht ganz zu passen. Und das ist okay – denn es gibt keine universelle Lösung für alle.
Auf meiner Reise von „ein Kind muss eben hören, es ist so klein und die Erwachsenen sagen was passiert“ hin zu „mein Kind zeigt mir die Welt, ich achte ihre Bedürfnisse und versuche sie prompt zu erfüllen“ bin ich gerade an einem wichtigen Meilenstein angekommen, den ich noch für mich ausrichten muss. Meine Grenzen erspüren, meine Bedürfnisse bewusst wahrnehmen, genau wie die meines Mannes, und alles irgendwie -wie du so gut formulierst- best möglich (oder eben „okay“) aufeinander abstimmen. Ich denke da werden wir, da werde ich noch einiges an Arbeit an mir vor mir haben.
Und ja: All diese Dinge haben keinen Einfluss darauf, wie sehr ich mein Kind liebe. Ich habe eine bekannte, die ihren Sohn über alles liebt! Er schläft im eigenen Zimmer (unsere Tochter im Familienbett) – und nichts sagt über die Liebe aus, sondern nur, das es verschiedene Bedürfnisse und Wege gibt. Das wünsche ich mir unter den Menschen mehr: dass dies erkannt und respektiert wird.
Danke für einen weiteren tollen Beitrag,
Liebe Grüße,
Antonia
https://tandaradei.blog
Ein schöner Artikel, der sehr meiner Haltung entspricht. Die Elternschaft ist eine Reise und wir dürfen uns auch neu in dieser Rolle entdecken. Was mir an diesen Richtungen z.T. nicht gefällt, ist, dass sie mir zu dogmatisch sind. Das passt nicht zur Gleichwertigkeit und Diversität. Genau deshalb bin ich von den Lehren der Individualpsychologie sehr angetan (Ein gutes Buch dazu ist „Mut und Anerkennung von Barbara Hennings). Diese Lehre und die daraus entstandene demokratische Erziehung bietet Hintergrundwissen und Ideen, aber keine neuen Dogmas. Schon alleine deshalb stört es mich, gegen das Wort Erziehung zu sprechen. Erziehung ist ein Wort, keine Haltung. Jeder gestaltet das Zusammenleben anders und braucht eben auch andere Wörter. In meinen Augen eine unnötige Diskussion, worüber ich auch mal was geschrieben habe. Liebe Grüsse, Céline
Was ich in meinen fast 2 Jahren Muttersein gelernt habe ist ganz viel auf meinen Bauch zu hören. Oft hab ich meine Eltern, Ratgeber oder einfach andere Leute im Hinterkopf, die sagen wie erwas laufen muss. Dann merke ich das Widerspricht mir. Ich versuche Aufmerksam durch den Tag zu gehen und meinem Gefühl zu trauen…nicht immer gabz leicht.
Ach ja und mein Sohn ist auch Kaiserschnitt und wir haben eine SEHR enge Bindung zueinander. ?
Liebe Jeannine,
Vielen Dank für diesen ehrlichen und reflektierten Artikel, u.a. weil ich dir an sehr vielen Stellen zustimme oder zustimmen möchte. Es gibt jedoch einige wichtige Punkte, wo mir die „Losungen“ dann doch zu romantisierend sind und Potential beinhalten, sich ordentlich unglücklich zu machen. Wir haben zwei Mädels, eine kleine als die Andere (scnr), und landen mit denen und der Kombination häufiger mal auf der Gegenfahrbahn. Will sagen, dass daraus Schäden entstehen kann. Meine Frau ist eher ungezogen/unerzogen, Ich bin eher Anhänger Juuls, zusammen sind wir uns häufig in der Richtung einig, in der Sache nicht, gleiches Problem. Aber ich komme zum Punkt: unsere kleine Tochter hat schon früh und lange und ausgiebig Zähneputzen verweigert. Und ich meine nicht ein Mal die Woche, sondern sechs Mal. Wir haben viel darüber gestritten, im Endeffekt hat meine Frau den Alltag bestimmt (dank unserer eher klassischen Verteilung von Erwerbs- und Hausarbeit, ich bin auch viel geschäftlich unterwegs, das nur zum Kontext). Im Ergebnis musste die 2jährige kürzlich unters Messer und in Vollnarkose operiert werden, weil mehrere Zähne innerlich verfault waren … ich lasse den letzten Satz mal wirken, vor allem in Kombination mit „niemals Zwang, niemals Integrität verletzen“. Klingt heftig? Ist es auch, und für mich ein ganz klarer Fall von „Romantisierung einer Idee bis zu dem Punkt, wo es dem Kind schadet, dem es nutzen soll“. Unerzogen als Ideologie (verzeih mir die Wortwahl) verführt dazu, dem Kind gar keine Grenzen mehr zu zeigen, und ich bin fest davon überzeugt, dass das dem Kind (je nach Temperament) letzten Endes nicht nützt, sondern schaden kann und wird. Meine Frau tut sich mit Grenzen ziemlich schwer und ist -glaube ich- auch deshalb in die unerzogen-Gemeinde geflüchtet. Unsere Große hat ein ziemliches Temperament und konnte genauso schlecht wie wir Kontakt aufnehmen, fiel immer wieder auf körperliche Aggressionen zurück. Mit Ankunft von Nummer 2 wurde das natürlich teilweise schlimmer, es gab Monate, in denen die Kleine quasi keinen Tag ohne frische Kratzer durchkam. Unter Anderem, weil wir nicht zusammen klar aufgezeigt haben, dass deine eigenen Grenzen da aufhören, wo andere verletzt werden. Ich will das jetzt auch gar nicht auf meine Frau abwälzen, ich hab meine eigenen Probleme und Komplexe und eine Temperament-Klaviatur, auf der die Kinder hervorragend spielen können. Aber diese sehr lange Phase und die Geschichte mit der Zahn-OP hat mir eine sehr kritische Einstellung zu unerzogen verpasst.
Ich glaube nicht, dass Kinder alles entscheiden können, immer im Recht sind, und wir uns anzupassen haben.
Ich glaube nicht, dass die physische Integrität unantastbar ist, man keinen Zwang anwenden darf. Wo regelmäßig die Gesundheit verletzt wird, eigene oder die Anderer, müssen notfalls die Eltern für das Kind entscheiden.
Ich glaube, dass es einen wichtigen Unterschied gibt zwischen Konsequenzen, für-das-Kind-entscheiden und Strafen. Die Würde zu wahren ist entscheidend, nicht, dass es keine Grenzen/Erziehung gibt (hier merkt man den Juul, hmm?)
Ich hoffe, dass du meinen Ausführungen folgen konntest (morgens im Hotelbett nur mit den Daumen getippt) und würde gerne weiter darüber diskutieren.
Was denkst du?
R.
Diesen Gedankengang kann ich sehr gut nachvollziehen- Bin ich nicht verpflichtet mein Kind zu schützen? Klar lasse ich mal 5 gerade sein und mal Zähneputzen weg wenn gerade nichts mehr geht. Aber meistens geht es ja. Schlafen dagegen ist bei uns Riesenthema. Es ist so spannend in der Welt da will man nicht weg und wenn viel los ist endet das regelmäßig mit Schmerzen weil der Kleine wo gegen rennt oder fällt… Gerne auch 19 mal in 1 Minute…
Geschlafen wird dennoch nicht. Hingelegt. Beim bemerken des Einschläfernd der Kopf gg. die Wand geknallt nur um nicht einzuschlafen… Sorry, am der Stelle sind mein Mann und ich uns uneins. Ich denke ich habe auch die Pflicht für die Unversehrtheit meines Kindes zu sorgen. Und dazu gehört dir ihn zu entscheiden das er es momentan noch nicht schafft eine gesunde Entscheidung zu fällen. Und dann eben nach meiner Entscheidung 2 Minuten tobt statt Stunden später stundenlang zu toben und trotz weinen und Unwohlsein kaum mehr als Minuten zu schlafen um dann wieder genauso wach zu sein und die ganze Nacht Mama durchs Bett zu verfolgen und zu jammern. Nicht wenn er anders begleitet nach wenigen Minuten schläft und gut gelaunt wach wird.
Gerne darf er das entscheiden wenn ich nicht mehr die Sorge haben muss ihm zu schaden.
Aber Kinder reagierten da unterschiedlich und vermutlich ist Minis Zahnputzverweigerung auch nicht so ausgeprägt wie bei meinem Vorredner. Aber darum geht es ja. Nicht dogmatisch zu sein, sondern das Kind anzusehen, oder? Und je nach Kind ist es dann ja ok mal so oder mal so zu entscheiden…
Schwieriges Thema – aber guter Gedankenanstoss…
Liebe Jeannine!
Ein wunderbar tiefsinniger Artikel – danke dafür! Ich habe das Gefühl, dass sich diese Art der Haltung seinem Kind gegenüber doch mehr und mehr in unserer Generation ausbreitet – eine gute Entwicklung für unsere aus den Fugen geratenen Welt. Ich selbst reflektiere tagtäglich darüber, wie ich mit meinem 3-jährigen Sohn in Beziehung trete – hauptsächlich als Mama und zu einem kleinen Teil als Pädagogin, die ich nun mal auch bin. Ich merke immer wieder, dass u.a. auch der theoretische, wissenschaftliche Input aus meinem Studium (Bindungstheorie, Martin Dornes, Mary Ainsworth usw.) mir doch eine sehr gute Basis gegeben hat, die man aber nichtsdestotrotz eins zu eins im Alltag mit Baby und Kind umsetzen kann. Auch ich kämpfe mit Themen wie Schokolade zum Frühstück, Regulierung des Medienkonsums usw.
Trotzdem merke ich, dass ich trotz Kritik von den vorherigen Generationen, auf dem richtigen Weg bin!
Was ich von den erwähnten Generationen und diversen populären Medien überhaupt nicht mehr hören kann, ist die „Grenzen setzen“-Philosophie. Auch hier geht es wohl um Definitionsschwierigkeiten. Aber wenn man hört, dass auf alle Probleme von Kindern und Jugendlichen mit Grenzen setzen argumentiert wird, bekomme ich einen dicken Hals. In meiner Arbeit als Pädagogin arbeite ich mit Jugendlichen mit diversen Problemlagen, denen die medialen Zuschreibungen unmotiviert, ohne Zukunft usw. entsprechen. Ich habe noch KEINEN einzigen betreut, der aus einer liebevollen, bedürfnisorientierten Familie stammt!!! Sondern das Gegenteil, wenn nicht sowieso verwahrlost, dann aus einem strengen, dauernd rigide Grenzen einsetzenden Elternhaus.
So, das war jetzt ein bisschen lang, aber dein toller Artikel hat mich zu diesem Kommentar inspiriert!
lg, Sabine
Danke für diesen Artikel!
Mein Favorit ist: „Die meisten potenziellen Verbote entspringen meiner eigenen Angst. Oft ist die unbegründet.“
Die Punkte 2 und 6 widersprechen sich aber, oder?
Vielen Dank für deinen Artikel. Ich finde die Ausprägungen, die diese Konzepte gerade annehmen wirklich befremdlich. Es laufen so viele selbsternannte Experten herum, die Attachment Parenting predigen, als wäre es die Garantie für Bindung. Meist ohne zu wissen, wie Bindung natürlicherweise aussieht.
Was gebraucht wird sind Einsichten, Kinder von innen heraus zu verstehen, uns selbst verstehen – und Zugagn zu unseren Gefühlen….
https://mit-kindern-reifen.de/ein-wichtiger-faktor-der-durch-die-aktuellen-auspraegungen-des-attachment-parenting-oft-vergessen-wird/