Mini and Me

„Wie fühlt es sich an, ein Kind zu haben?“

Die Frage stellte mir ein Kollege, nachdem ich ein Foto meiner Tochter auf Facebook gepostet hatte. Meine kurze Antwort („Schwer zu beschreiben, aber auf jeden Fall richtig gut!“) reichte nicht aus. Ich bin davon überzeugt, dass man Elternsein erleben muss, um zu begreifen. Das Gefühl, ein Kind zu haben, lässt sich mit keinen Worten der Welt beschreiben. Hier ist nun trotzdem mein persönlicher, komplett subjektiver Versuch. Ich werde tippen, bis meine Tochter aufwacht…

Sie ist knapp sechs Wochen alt. In dieser kurzen Zeit nahm ich das Elternsein auf unzählig viele Arten wahr. Ich wollte diesen Artikel früher verfassen und habe mir deshalb bereits Gedanken gemacht, nachdem mir die Frage gestellt wurde. Nun, da ich tatsächlich Zeit für eine Antwort habe, fehlen mir die Buchstaben. Es hat sich ja schon wieder so vieles verändert! Damals wollte ich als erstes die Angst vor einer nicht einschätzbaren Herausforderung beschreiben. Dieses Gefühl ist nun zwar immer noch präsent, allerdings weit in den Hintergrund gerückt. Unser Liebling ist da und sie ist so unglaublich wunderbar auf so viele Weisen. Und auch wenn wir nicht wissen, was auf uns zukommt und jeder Tag ein neues Abenteuer ist, so hat die anfängliche Angst vor dem Ungewissen mittlerweile unbändiger Neugierde und Vorfreude Platz gemacht.

Ein Wunder mit allen Sinnen begreifen

Als meine Hebamme während der Schwangerschaft sagte, dass ich meine Tochter nach der Geburt erst mal kennen lernen müsste, konnte ich damit nichts anfangen: „Wie, kennenlernen? Sie ist seit Monaten in mir drinnen, ist in mir gewachsen. Sie ist quasi ich. Mini-Me eben. Ich kenne sie doch schon längst!“ Ich kann nur für mich sprechen aber meine Hebamme hatte recht: Von der ersten Sekunde an wollte ich nicht mehr ohne meine Tochter, aber sie musste erst zu meiner Tochter werden.Wer ist dieser kleine Mensch? Unzählige Stunden folgten, in denen ich nur damit beschäftigt war, sie anzusehen. Wie sehen die Hände aus? Die faltigen kleinen Füße! Uh, hoffentlich wird der große Zeh noch hübscher! Zwanzig winzig kleine Nägel. Die sind da tatsächlich schon dran! So viele Haare hat sie, und dann sind da auch noch die kleinen Härchen auf der Stirn… Baby, siehst du mich an? Siehst du mich überhaupt? Schnell googlen, wie weit du schon gucken kannst. Wie unglaublich gut du riechst! Über die Backen streichen, die Ohren studieren, das Anlegen üben, den zahnlosen Mund betrachten, die Lippen bewundern, all dem unterschiedlichen Brabbeln lauschen… und einfach nur staunen. Immer las ich nur, wie Kinder als „kleine Wunder“ bezeichnet wurden. Ich verstand es nicht, bis ich mein Wunder endlich in Händen hielt. Dann war alles klar.

Unsicherheit – zwischen Clustern, Fläschchen und Co.

Während der ersten Tage im Spital fühlte ich mich, obwohl mein Liebling immer bei mir war und ich täglich Besuch bekam, oft einsam und überfordert. Das Gefühl, dass die ehrlicherweise ahnungslose Neo-Mami alles besser kann und besser weiß als alle andern, muss wohl irgendwie hormonell gesteuert sein. Es ist nicht sehr hilfreich: „Greif ja nicht mein Baby an!“, denkt sich die frisch gebackene Mutter und verdrängt, dass es durchaus hilfreich wäre, wenn eine geübte Kinderschwester ihr Baby anfassen würde. Aber nein, lieber nicht. Alle machen die Kleine kaputt. Nur ich nicht. Obwohl meine Tochter schon zu Beginn das bravste Kind der Welt war, kostete mich jede kleine Ungereimtheit zahllose Nerven. Ich wollte es einfach selbst schaffen. Das tat ich aber bei weitem nicht immer.

Ein Erlebnisbericht: In der letzten Nacht vor unserer Entlassung, von der ich mir nur sehnlichst wünschte, sie würde schnell vorbeigehen, fing die Kleine an, zu „clustern“. Ich hab gelernt, was das heißt: Das Kind will trinken… stundenlang. Fünf Stunden lang, um genau zu sein. Und wenn sie nicht bekommt, was sie will, weint sie. Erst nach diesen fünf Stunden klingelte ich beim Kinderzimmer und verlangte ein Kirschkernkissen. Ich dachte, sie hätte Blähungen. (So hungrig kann sie ja doch nicht sein! Das muss an der Verdauung liegen!) Die Schwester kam mit dem bestellten Kissen und dem erklärten Feind der stillenden Mama: einem Fläschchen mit Säuglingsnahrung. „Geben Sie Ihr das, sonst wird sie auch die nächsten Stunden nicht aufhören.“, lies mich die Schwester wissen und verschwand wieder. Da stand das Fläschchen auf dem Tisch vor mir und grinste mich hämisch an. Ich war verunsichert und weigerte mich noch eine weitere Stunde, danach zu greifen. Meine Vertrauensperson, meine Wahlhebamme, war nicht im Dienst. Kurz vorm Nervenzusammenbruch rief ich mitten in der Nacht jene Hebamme an, bei der ich vor der Geburt zur Akupunktur gegangen war. Erst durch ihren Ratschlag bekam ich dann die nötige Zuversicht und Eleni endlich das Fläschchen. Wir schliefen beide ein.

Wenn’s um Babies geht, wissen alle, wie frau es „richtig“ macht. Es führen viele Wege nach Rom und jede/r kenn einen anderen, besseren, schnelleren. Ich weiß nun, dass wir unseren eigenen Weg finden müssen. Anfangs ein Trampelpfad, ist er jetzt schon mit Pflastersteinen ausgelegt. Bald wird die Straße betoniert. Mut und Verständnis. Babysteps.

Willkommen, gänzlich neues Leben

Während meiner Schwangerschaft hörte ich viele Ammenmärchen. Eine Aussage hat sich allerdings bestätigt: Ein Kind verändert alles. Das konnte ich mir nicht vorstellen, aber es stimmt. Nichts ist mehr wie früher. Unsere Tochter ist der Mittelpunkt allen Denkens. Ein kleiner Tropfen im großen Teich des Lebens, der riesige Wellen schlägt und bald alles erfasst.

Wir sind gesegnet mit dem bravsten, schönsten und tollsten Kind der Welt – wie (fast) alle Eltern – das uns regelmäßig unsere Grenzen aufzeigt und doch erst sehen lässt, wie weit wir gehen können. Weit. Weiter als gedacht. Seit über 40 Tagen habe ich keine Nacht durchgeschlafen und bin jenseits von groggy.

So viele Worte. So wenig von so viel beschrieben. Ich tippe ein andermal weiter. Sie ist aufgewacht…

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